Wochenschau 45: Bundesstaat - Männerstaat?


                                



Klingt einleuchtend. Wieso hat man aber unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg die erste reelle Chance verpasst, das Frauenstimmrecht einzuführen?

Yvonne Voegeli: Das Frauenstimmrecht war im Generalstreik 1918 die zweite von neun Forderungen des  Oltener Streikkomitees gewesen. Die bürgerlichen Frauenorganisationen waren davon überrascht worden. Der Schweizerische Frauenstimmrechtsverband hatte zwar im Jahr zuvor über die Lancierung einer Männervolksinitiative diskutiert. Aber nun konnten sich die Stimmrechtlerinnen nicht entschliessen, die heikle innenpolitische Lage für ihr Anliegen zu nutzen und mit einer Initiative, sei es eine eigene, sei es eine von der Sozialdemokratie angekündigte, der Forderung Nachdruck zu verleihen. Sie fürchteten, sich lächerlich zu machen, keine Unterstützung bei den anderen Frauenverbänden und bei den bürgerlichen Parteien zu finden und der Stimmrechtssache eher zu schaden. Während die Streikenden dann mit der Erfüllung anderer Forderungen beschwichtigt wurden, nahmen die bürgerlichen Politiker die Frauen in der Folge nicht als gesellschaftlichen Unruheherd wahr, den es mit Zugeständnissen ebenfalls zu befriedigen galt. Im Parlament konnten sie beruhigt 1919 die Motionen des Sozialdemokraten Greulich und des Liberalen Göttisheim für die Einführung des Frauenstimmrechts als zeitlich unverbindliche Postulate an den Bundesrat überweisen und weiter ihrem traditionellen Frauenbild huldigen ...

Bild: In den zwanziger Jahren fanden kantonale Abstimmungen über das Frauenstimmrecht statt, die alle mit Nein-Mehrheiten endeten. Zürcher Abstimmungsplakat von 1920.

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