Wochenschau 45: Bundesstaat - Männerstaat?


                                



Das Interview

Frau Voegeli, eigentlich hätte man der Schweiz ein grosses Polittheater ersparen können, wenn die Bundesverfassung von 1848 auch den Frauen alle politischen und bürgerlichen Rechte zugestanden hätte. Was hat die fortschrittlichen Kräfte von damals gehindert, an die Frauen zu denken?

Hausmütterchen

Yvonne Voegeli: Das hat im Wesentlichen zwei Ursachen. Den Frauen die staatsbürgerlichen Rechte zu geben hätte die Anerkennung der Frauen als selbständige und freie Menschen vorausgesetzt. Das wiederum hätte das Ende der bisherigen patriarchalischen Herrschaft der Männer über die Frauen bedeutet - mit dem Verlust der damit verbundenen handfesten Vorteile für die Männer zum Beispiel im Ehe-, Erb- und Vermögensrecht.

Der zweite Grund liegt in der damaligen wirtschaftlichen Veränderung. Während in vorindustrieller Zeit die Familie Herstellungsort der lebensnotwendigen Güter gewesen war, trennten sich mit dem Fortschreiten der Industrialisierung Wohn- und Arbeitsstätte. Der Mann wurde zum hauptsächlichen Ernährer der Familie. Die Frau hatte mit der Herrichtung eines gemütlichen Heims für die Erholung der erschöpften männlichen Arbeitskraft zu sorgen und die Kinder für die Erwachsenenwelt zu erziehen: zwei  Aufgaben, ohne deren Erfüllung die industrielle Gesellschaft nicht funktioniert hätte.

Bild: Fixe Rollenbilder, die auch die Frauen verinnerlicht hatten, verhinderten lange Zeit die Einführung des Frauenstimmrechtes. Illustration in der 1910 erschienenen Biografie von «Konzernmutter» Katharina Sulzer-Neufert mit der Original-Legende: «Katharina als junges Hausmütterchen».

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